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„Jedes Menschenkind, das das Licht der Welt erblickt, hat eine Reihe von Grundbedürfnissen im Gepäck, die wahrgenommen und befriedigt werden müssen, damit es keinen Mangel erfährt. Eines davon heisst Bindung. Die Natur hilft den Eltern dabei, diese Bindung aufzubauen und zu festigen, doch es gehört auch eine gute Portion Aufmerksamkeit dazu.“

 John Bowlby, der Pionier der Bindungsforschung, wies 1951 erstmals auf einen Zusammenhang zwischen lang dauernder Entbehrung mütterlicher Fürsorge und schwerwiegenden und weitreichenden seelischen Schädigungen bei deren Kindern hin. Mütter lieben ihre Kinder nicht automatisch, das bestätigten in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts Ärzte in den USA, nachdem ihnen aufgefallen war, dass Säuglinge, die unmittelbar nach der Geburt von ihren Müttern getrennt worden waren, später häufig von ihren Müttern verletzt oder misshandelt wurden. Dass es beim Menschen, ähnlich wie im Tierreich, eine sensible Phase unmittelbar nach der Geburt gibt, in der Mutter und Kind aufeinander geprägt werden, war bis dahin nicht erkannt worden. Heute weiss man, dass bereits während der Schwangerschaft ein emotionales Band zwischen Mutter und Kind geknüpft wird, und es gibt Pränatal-Psychologen, die sich damit beschäftigen, wie diese vorgeburtliche Bindung optimiert werden kann. Der Geburtsprozess selbst und die Unterstützung, die eine Mutter während der Geburt erlebt, wirken sich ebenso auf die Qualität ihres Bindungsverhaltens gegenüber dem Baby aus wie die Situation während der ersten Stunden nach der Geburt. Dr. Marshall H. Klaus und John H. Kennell stellen in ihrem Buch „Mutter-Kind-Bindung“ fest, dass Mutter-Kind-Paare, die unmittelbar nach der Geburt in Haut- und Blickkontakt miteinander treten dürfen, eine viel engere Bindung entwickeln als Mutter-Kind-Paare, denen diese Möglichkeit nicht gegeben wird.

Hormone knüpfen ein Beziehungsband
Die Natur bietet Mutter und Kind Hilfestellung. Während sich der Muttermund unter der Geburt öffnet, wird im Gehirn das Hormon Oxytozin, auch Liebeshormon genannt, produziert. Nach der Geburt kann sich die Mutter in einem rauschähnlichen Zustand befinden, denn sie ist quasi von Hormonen überschwemmt: Zusätzlich zum Oxytozin, das nun auch beim Saugen des Babys an der Brust ausgeschüttet wird, befinden sich Endorphine, Prolaktin und morphinartige Glückshormone in ihrem Blut und sorgen dafür, dass die Mutter eine starke Bindung zu ihrem Neugeborenen entwickelt. Es mag überraschen, doch der Vater erhält ebenfalls einen Hormonschub, wenn er viel Zeit mit seinem Baby verbringt, Haut- und Blickkontakt zu ihm hat und sich mit ihm „unterhält“. Sein Nestpflegetrieb und seine Bindungsfähigkeit werden dadurch ausgelöst oder verstärkt.

Vererbte Bindungs(un)fähigkeit
Seelische Erschütterungen (Traumata) können die Ursache dafür sein, dass Mütter (oder auch Väter) Schwierigkeiten damit haben, sich auf ihr Baby einzulassen. Wenn jedoch der Wunsch nach Nähe und Bindung, der ein Grundbedürfnis des Menschen ist, beim Baby oder Kleinkind nicht erfüllt wird, kann dies zu psychischen Verletzungen und Konflikten führen, die sich im Erwachsenenleben in Angst vor Nähe, Bindungsunfähigkeit oder einem gestörten Selbstwertgefühl äussern. Es ist erwiesen, dass die Unfähigkeit, Bindung zu den eigenen Kindern aufzubauen, von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Darum ist es wichtig, dass Eltern Hilfe suchen, wenn es ihnen schwer fällt, sich ihrem Kind liebevoll und einfühlsam zuzuwenden. Es gibt eine Reihe erprobter Methoden, mit denen Bindungsschwierigkeiten aufgrund traumatischer Erfahrungen behandelt und behoben werden können: EMDR (vom englischen „Eye Movement Desensitization and Reprocessing), die Augenbewegungen und andere Methoden der Rechts-Links-Stimulation nutzt, und in relativ kurzer Zeit sehr gute Erfolge erzielt, die Festhaltetherapie nach Martha Welsh und Jirina Prekop, bei der der Patient so lange intensiv von einem engen Familienangehörigen – meist der Mutter – festgehalten wird, auch wenn er sich körperlich wehrt, bis er an den Punkt kommt, wo er die schmerzhaften Gefühle herausschreien, ausweinen, sich davon befreien kann, oder die Bonding-Psychotherapie nach Dan Casriel und Dr. Konrad Stauss, die die Befriedigung der Grundbedürfnisse jedes Menschen nach Bonding (körperlicher Nähe und emotionaler Offenheit), Autonomie, Selbstwert, körperlichem Wohlbehagen und Lust- bzw. Lebenssinn in den Mittelpunkt stellt. Dies sind nur einige der Methoden.

Manchmal macht es die gesundheitliche Situation von Mutter oder Neugeborenem erforderlich, dass die beiden getrennt werden, zuweilen können sie erst nach vielen Wochen zusammen kommen. Vielleicht ist die Mutter auch einfach zu erschöpft oder braucht etwas Zeit für sich alleine, so dass sie die sensible Prägungsphase unmittelbar nach der Geburt nicht nutzen kann. Dann ist es gut zu wissen, dass dies kein Grund für Schuldgefühle sein sollte, denn im Unterschied zu anderen Säugetieren ist beim Menschen die sensible Phase nicht das wichtigste Element der Eltern-Kind-Bindung. Im tagtäglichen Umgang miteinander wird die Mutter immer wieder aufs Neue Gelegenheit haben, eine innige Bindung mit ihrem Säugling herzustellen. Ein bindungsfördernder Erziehungsstil macht es leichter, die Bedürfnisse des Kindes zu befriedigen.

Die Rolle des Vaters

Im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte hat sich die Rolle des Vaters stark verändert. War er früher eher der „Versorger im Hintergrund“, so begleitet er mittlerweile seine Partnerin zu Geburtsvorbereitungskursen, nimmt aktiv an der Geburt teil und hat zumeist schon unmittelbar nach der Geburt Kontakt zu seinem Baby. Vor allem wenn die Mutter das Neugeborene nicht unmittelbar nach der Geburt bei sich haben kann, das Baby jedoch gesund ist, ist es wichtig, dass der Vater diese Zeit nutzt, um die sensible Bindungsphase nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, indem er sein Kind liebkost und Blickkontakt mit ihm aufbaut. Durch die Unterstützung im Alltag übernehmen Männer Verantwortung für ihre Familie. Die Mütter wiederum fühlen sich frei und unbelastet und können sich ganz ihrem Baby zuwenden, es kennen und seine Zeichen deuten lernen, um seine Bedürfnisse rasch zu befriedigen. Dies wiederum schenkt dem Säugling ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen, ermöglicht es ihm, eine sichere Bindung aufzubauen und dem weiteren Leben ohne Angst entgegen zu sehen.

Kristina Heindel