Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/httpd/vhosts/lalecheleague.ch/elternzeitschrift.org/libraries/cms/application/cms.php on line 464 2014/06 Muttermilch als Medikament

Seit Langem schon wird Muttermilch auch als Heilmittel eingesetzt. Neue wissenschaftliche Untersuchungen belegen nun zunehmend, welche faszinierenden Eigenschaften in ihr stecken.

Muttermilch besteht zu etwa 88 Prozent aus Wasser. Die restlichen zwölf Prozent sind Kohlenhydrate, Fett, Eiweiss und Spurenelemente. Klingt recht einfach, ist aber viel komplizierter, denn diese «Grundbausteine» bilden mehr als 1000 verschiedene Substanzen mit ganz unterschiedlichen – und lange noch nicht abschliessend bekannten und erforschten – Eigenschaften. Diese beeinflussen in einem fein abgestimmten Wechselspiel nicht nur das Wachstum, das Gedeihen und die Entwicklung, sondern auch das Immunsystem und die langfristige Gesundheit des Kindes.

Dass Muttermilch heilende Wirkung hat, wussten bereits die alten Ägypter, die bei Augenentzündungen Muttermilch anwendeten. Inzwischen zeigen immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, welche pharmakologischen Eigenschaften Muttermilch aufweist.

Besonderes Augenmerk gilt dabei den beiden Proteinen Laktoferrin und Alpha-Laktalbumin. Laktoferrin gehört zu den Transferrinen, das heisst es ist für den Eisentransport verantwortlich. Es wird vom Körper unter anderem dazu eingesetzt, Eisen so zu binden, dass es schädlichen Bakterien nicht mehr zur Verfügung steht.
Auf der Wirkung des Laktoferrins beruhen zu einem nicht unerheblichen Teil die antibakteriellen und antiviralen Eigenschaften der Muttermilch. Alpha-Laktalbumin ist eines der Hauptmolkeeiweisse der Muttermilch und kann durch den Lipid-Eiweiss-Komplex HAMLET (die Abkürzung für human alpha-lactalbumin made lethal to tumor cells) sowohl Bakterien als auch Tumorzellen zerstören.

Bei Versuchen mit Escherichia coli, einem bei Forschern beliebten Modellorganismus, zeigte sich, dass Lactoferricin aus der Muttermilch die das Bakterium umhüllende Zellmembran stark schädigt.1 Die natürlicherweise in Muttermilch vorkommende Form des Lactoferricins ist jedoch nicht in der Lage, schwere Infektionen vollständig zu bekämpfen.

Deshalb griffen die Wissenschaftler in die molekularbiologische Trickkiste und veränderten seine Aminosäuresequenz. Das auf diese Weise modifizierte Lactoferricin zerstörte nicht nur die Zellwand des Bakteriums, sondern wirkt sich auf seine Teilungsfähigkeit und damit auf seine Vermehrung aus. Besonders spannend: Aufgrund des Wirkmechanismus des Lactoferrins kommt es nicht zu einer Resistenzbildung.
Die zunehmenden Resistenzen von Keimen gegen Antibiotika sind eine grosse Herausforderung für die Medizin. Und hier setzen die Erkenntnisse einer zweiten Studie an.2 Versuche im Laborglas und auch an Tieren ergaben, dass HAMLET die Empfindlichkeit von Bakterien gegenüber bestimmten Antibiotika verstärkt, bei einigen Keimen sogar in der Lage ist, eine Antibiotikumsresistenz wieder aufzuheben. Zu diesen Keimen gehört auch der besonders gefürchtete Methizillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA).

Sowohl Lactoferricin als auch HAMLET sind daher aufgrund ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten potentiell für die Entwicklung von neuen Medikamenten und Behandlungsmethoden von grosser Bedeutung.

1 D. Zweytick et al.: N-acylated Peptides Derived from Human Lactoferricin Perturb Organization of Cardiolipin and Phosphatidylethanolamine in Cell Membranes and Induce Defects in Escherichia coli Cell Division. DOI: 10.1371/journal.pone.0090228; 2014
2 L. R. Marks et al.: Sensitization of Staphylococcus aureus to Methicillin and Other Antibiotics In Vitro and In Vivo in the Presence of HAMLET. DOI: 10.1371/journal.pone.006315

Denise Both