Zwillinge haben zwar das Privileg, schon von Anfang an den idealen Spielgefährten zu haben und auch emotional sehr befriedigt durch die Nähe des Geschwisters zu sein, trotzdem sind die Zwillingskinder zwei ganz eigenständige Personen mit eigener Geschichte.
Manche Mütter spüren schon im Bauch, wie unterschiedlich die Kinder sind, wenn ein Zwilling sich den ersten Platz erobert, ein bisschen lebendiger strampelt oder ein bisschen mehr Nährstoffe aus der gemeinsamen Plazenta abzweigt. Auch beim Saugverhalten an der Brust kann sich die Unterschiedlichkeit zeigen, indem das trinkfaulere Kind vom Geschwister profitiert, weil jenes den Milchspendereflex gleich für beide auslöst oder weil eines lauter und fordernder nach Nahrung schreit, während das andere geduldig wartet, endlich dranzukommen.
Zwillinge lernen früh solidarisches Verhalten. Sie können beim Spracherwerb etwas später dran sein, weil sie schon seit der Zeit im Mutterleib die Gabe entwickelt haben, wortlos zu kommunizieren. Das setzt sich beim Heranwachsen oft in einer Art Zeichen- oder Geheimsprache fort.
Gleich und doch verschieden
Zwillinge haben denselben Geburtstag, manchmal dasselbe Geschlecht oder das gleiche Aussehen, und doch ist es für beide Kinder wichtig, von Anfang an als zwei Individuen behandelt zu werden. Das beginnt bei der Namensgebung à la Hanni und Nanni und endet bei der Kleiderauswahl. Natürlich ist es süss, wenn eineiige Zwillinge im gleichen Dress im Kinderwagen sitzen und um die Wette strahlen. Die Aufmerksamkeit der Umgebung ist Zwillingseltern sowieso gewiss. Für die eigenständige Entwicklung der Kinder ist es jedoch wichtig, sie nicht in den berühmten Topf zu werfen. Denn bewundert zu werden heisst noch lange nicht, als Ich wahrgenommen zu werden. Als Zwilling zu gelten heisst oft, bei den Mitmenschen keinen eigenen Namen und kein Profil zu haben, alles gleich gut können zu müssen und immer Mal wieder für Dinge getadelt zu werden, die aufs Konto des Geschwisters gehen. Verschieden geschlechtliche Zwillinge haben es da sichtlich leichter. Bei ihnen ist es in der Kindergarten- und Schulzeit weniger dringend, sie in getrennten Gruppen unterzubringen, da sie sich sowieso verstärkt um eigene Freundschaften bemühen werden.
Michaela Kyllönen